In diesem Buch, das 2001 neu aufgelegt wurde, schildert der ehemalige Leiter der Spanischen Reitschule Alois Podhajsky seinen reiterlichen Werdegang an Hand der Pferde, die ihn begleitet haben und auch prägten. Im Vorwort schreibt er, er sei gerne dem Wunsch eine Reitlehre ganz eigener Art zu schreiben nachgekommen:
»Sie ist leicht faßlich und, guten Willen vorausgesetzt, auch zu befolgen. Gewiß ist sie weder akademisch noch streng systematisch, denn diejenigen, welche sie vortragen würden, wenn sie nur sprechen könnten, legten auf diese Eigenschaften wenig Wert. Mit anderen Worten: Ich will aus meinen Erfahrungen schöpfen, berichten welche Reitlehren mir meine Pferde erteilten, und diese meine treuesten "Reitlehrer" den Lesern vorstellen.«
Podhajski blickt auf einen langen Weg des Lernens zurück und meint, da man nie auslerne, könne man die Lehrzeit bestenfalls in drei Stufen unterteilen: »Zuerst muß der Reiter lernen, sich in allen Bewegungen am Rücken des Pferdes auszubalancieren und "oben zu bleiben". Mancher ist damit schon zu frieden und mancher glaubt auch dann schon, ein großer Reiter zu sein. Bald muß man aber erkennen, daß das Reiten sich nicht in diesen einfachen Ergebnissen erschöpft, sondern daß es vor allem gilt , dem Pferd den Weg zu weisen, es zu gymnastizieren und zur Entfaltung seiner Anlagen zu bringen. Damit beginnt die zweite Stufe, die oft Phasen aufweist, in denen der Reiter daran zweifelt, jemals diese Kunst zu lernen. Ist es gelungen in die Sphäre der höheren Reitkunst einzudringen und Pferde bis zur Hohen Schule zu fördern, dann ist wohl die zweite Stufe überwunden, der Weg des Lernens ist aber noch nicht zu Ende. Denn ein einziges bis zu diesem Grad ausgebildetes Pferd macht noch keinen perfekten Reiter. Es gibt aber viele, die sich mit diesem einen Erfolg begnügen. So mancher "Reiter" läuft gestiefelt und gespornt herum, der sich seine Pferde von anderen ausbilden läßt und sie nur zu Turnieren besteigt, der noch nie ein Pferd selbst ausgebildet hat und deshalb auch nie verstehen wird, daß er es ist, der von den Pferden lernen muß, wenn er die letzte Stufe des Reitens erklimmen will.«
Die richtige Zusammenstellung von Reiter und Pferd sei auch eine Kunst, so Podhajsky, »die sich auf gründliche Kenntnisse zunächst der Konstitution, dann der Gewohnheiten und nicht zuletzt des Charakters der Partner aufbaut.« ....»Es gibt fast kein Reitbuch aus älterer Zeit, in dem nicht der Körperbau mit all seinen Funktionen genau behandelt und auch Sattelung und Zäumung eingehend erläutert werden. Und heute? Wie wenige Reiter kenne ihre Pferde und die Ursachen ihres Verhaltens! .... die fundierten Lehren der alten Reitmeister werden heute oft mit der Bemerkung abgetan, daß ihre Methoden veraltet und für die Gegenwart, die rasche Erfolge fordert, zu langwierig seien. Und wie sieht das Ergebnis dieser Schnellarbeit aus? Das Niveau verflacht bis zu Zerrbildern!«
Den Reigen der vierbeinigen Reitlehrer eröffnet die brave und gutmütige "Olga" auf der der Siebenjährige - nach dem ihn die Burschen des Vaters zuvor schon oft heimlich auf dessen Pferde gehoben haben, wenn sie zurück in den Stall geführt wurden - erstmals einige Runden im Schritt reiten durfte. Als nächstes machte "Salome" dem jungen Alois klar »daß es keineswegs zu den Privilegien des Reiters gehört, sich nur nach eigenem Willen von dem vierbeinigen Partner zu trennen.« "Salome" vermittelte ihm aber auch psychologische Einsichten. Die temperamentvolle Stute verfügte über "schlagfertige" Hinterbeine, die manchen Burschen zwangen beim Putzen oder Satteln zur Seite zu springen. Eines Tages konnten er und seine völlig erstarrte Mutter beobachten, wie der etwa zweijährige Bruder sich der Stute auf der Koppel näherte,»die beiden Hinterbeine mit den Händchen erfaßte und zwischen ihnen hindurch kroch. Unter ihrem Bauch angelangt, drehte er sich um und turnte wieder munter nach hinten zwischen den Pferdebeinen durch, ein Spielchen, das er einige Male wiederholte.« bis er wieder zurück in die Arme seiner erleichterten Mutter lief. "Salome" aber blickte verstehend dem jungen Erdenbürger nach, bevor sie sich wieder dem ungestörten Grasen widmete." Diese Episode verhalf ihm zu der Erkenntnis: »daß Pferde im Grunde ihres Wesens gutmütig sind und daß die Erscheinungen, die wir für Bösartigkeit halten, nur eine Abwehr darstellen, die aus Furcht geboren ist oder aus der Erinnerung schlechter Erlebnisse.« Dem Zwölfjährigen erlaubte der Vater endlich geregelten Reituntericht, der mit Longestunden auf dem braven "Sigi" begann. Ihm folgten weiter Lehrpferde und dann auch Kavalleriepferde für den jungen Dragoner. Später wurden Alois Podhajsky auch manche Remonte anvertraut und er erhielt täglich Unterricht auf ein bis zwei Schulpferden, die soweit gefördert waren, daß sie dem Schüler das richtige Gefühl für die Hilfengebung vermitteln, die kein Reitlehrer ohne die Mithilfe dieser vierbeinigen Lehrmeister mitteilen kann.
Eine wichtige Erfahrung machte er mit "Otto" - seinem späteren Reservepferd der Olympischen Spiele 1936, mit dem er 1936 auch die olympische Konkurrenz in Aachen auf die Plätze verwies. »"Otto" lehrte mich, daß man ein Pferd niemals mehr aufrichten darf als es seiner Konstitution entspricht, und schon gar nicht durch Höhernehmen von Kopf und Hals." Podhajsky " ließ ihm Zeit und trachtete die Aufrichtung durch vermehrtes Untertreten der Hinterhand zu erreichen. Dabei blieb sein Rücken gewölbt, er empfand kein Unbehagen und ...war wieder willig und freudig bei der Arbeit.«
"Otto" lehrte ihn das richtige Einschätzen des Faktors "Zeit".
»"Ich habe Zeit" sollte auch jeder Dressurreiter während der gesamten Ausbildung seines Pferdes denken und sich damit an den Grundsatz erinnern, daß nur durch planmäßige Steigerung der Anforderungen das Ziel der Reitkunst zu erreichen ist.«
Dem Kapitel über die Lipizzanerhengste stellt Alois Podhajsky die Feststellung voran »Die mit Kraft gepaarte Klugheit dieser Pferde erfordert ein genaues Erfassen ihres Wesens und eine ganz individuelle Behandlung, mit anderen Worten, die Ausbildung darf nie zum Schematismus entarten.«
In diesem Kapitel schildert Podhajsky auch den vielleicht bedeutendsten Auftritt der Lipizzaner, als sie unter dem Motto "Lipizzaner bitten für Lipizzaner" am 7. Mai 1945 in St. Martin vor General Patton auftraten. Podhajskys im Anschluß vom Pferd aus vorgetragene Bitte um Schutz für die Lipizzaner wurde gewährt. Alois Podhajsky ritt damals Neapolitano Africa , einer der ersten großen Schulhengste, die er selbst ausgebildet hatte. Neunzehn Jahre sein Begleiter war danach der Hengst "Pluto Theodorosta", der zunächst trotz auffallender Schönheit durch die Passivität seines Bereiters zur ewigen Remonte verurteilt zu sein schien, bis Podhajsky 1942 seine Ausbildung selbst übernahm. Dies war auch der erste Lipizzaner, den Podhajsky in Dressurprüfungen ritt.
»In Frankfurt am Main rangierten wir als zweite hinter dem Idol Deutschlands, Otto Lörke, in einer Dressurprüfung der mittleren Klasse und gewannen die schwere Klasse auf dem selben Turnier. Gleich darauf siegte er in einer Olympiadressurprüfung in Hamburg. Es war das erste Mal das ein Lipizzaner einen Grand Prix gewann.«
Es war auch Pluto Theodorosta, der wenig später bei einem Turnier in Stockholm nach der Vorführung der Spanischen Hofreitschule, als Alois Podhajsky gebeten wurde alleine, nur von einem Scheinwerfer angestrahlt, in das völlig dunkle Stadion zu einer Ehrung einzureiten, voller Vertrauen zu seinem Reiter, diesen vor der befürchteten »größten Blamage seines Lebens« bewahrte und der trotz großer Panik seinem Reiter den Gehorsam nicht verweigerte, als ein Hubschrauber neben ihm niederging. In der Passage näherte sich "Pluto Theodorosta" dem Fluggerät und Podhajsky nahm aus den Händen eines Mädchens einen Blumenstrauß entgegen. Das letzte Kapitel ist dem Verhältnis Pferd und Mensch gewidmet, in dem Podhajsky aufzeigt, wieviel Gewinn der Mensch finden kann, wenn er lernt das Pferd zu begreifen.
© Barbara Schulte